Seit 2003 treibt Ben Lukas Boysen sein Unwesen im IDM-Genre und hat es inzwischen schon auf insgesamt 7 spannende wie abenteuerliche Electronica-Alben gebracht. Sein letztes erschien im vorigen Jahr auf Hymen Records und „Avenger“ transportiert dabei eine Art Superhelden-Geschichte mittels halsbrecherischen Sound-Designs zwischen filmischen Atmosphären und vertrackten Rhythmen. Das BLACK lud daher ein weiteres Mal zum Gespräch:
? Deinem aktuellen Album „Avenger“ liegt die Geschichte von einer Art Rächer und Superhelden zu Grunde – kannst Du dieses Konzept bitte etwas näher erläutern?
Das ist im Grunde ganz einfach: Ich liebe Superhelden! Muskelbepackte Ein-Mann-Armeen in fiesen Kostümen als graphischer und inhaltlicher Gedanke sind klasse! Da das Album auch an einer anderen Stelle als seine Vorgänger ansetzt bzw. soll es auch für sich alleine stehen (wie lange oder ob dieser Stil beibehalten wird, ist völlig offen). Das Konzept ist also: Spaß an der Sache und nach viel Arbeit ein schönes Ergebnis zu haben.
? Der limitierten Box-Ausgabe des Albums liegt u.a. eine Wrestler-Maske bei, was ja wirklich mal was Neues bzw. Originelles ist, aber was haben eigentlich Wrestler mit dem Album-Konzept zu tun?
Vor ein paar Jahren kamen Stefan von Hymen/ Ant-Zen und ich in einer Bar in Berlin darauf zu sprechen, wie cool wir die Idee fänden, aus einer Wrestler-Maske ein Album-Artwork, oder noch besser, die Verpackung zu gestalten. Viele Tracks später und nach Mühe, Geduld und Liebe zum Detail war es dann soweit!
? SEPTIC INSURGENT haben bei ihrem Remix von „Bane“ ein George Bush-Sample eingebaut, was dem Track eine völlig neue Wendung gibt – wie gehst Du mit solchen (gelungenen) Freiheiten der Remixer um und würdest bzw. hast Du auch schon mal einen Remix abgelehnt?
Wenn ich einen Künstler nach einem Remix frage, dann weil mich etwas an seinem Umgang mit der gesamten Materie reizt, bzw. wenn ich eine Anfrage hinausschicke, dann sind für mich keine Fragen bezüglich des Umgangs offen. Wie man diese Freiheit nutzt, ist dem Künstler selbst überlassen und darin liegt für mich das Spannende. Insofern gehe ich damit nicht wirklich um, sondern freue mich über das Ergebnis.
? Deine Alben sind bisher immer auf CD erschienen und Du hast gerade mal 3 Vinyl-12“ veröffentlicht – magst Du kein Vinyl oder siehst Du Deine komplexen Soundgebilde besser im digitalen Format wiedergegeben?
Das sind meistens eher jeweilige labelpolitische Entscheidungen. Ich liebe Vinyl und hätte gern alle meine Alben als Platten, aber das ist zurzeit nicht möglich. Allerdings-wer weiß, was da noch passiert.
? Bei unserem letzten gemeinsamen Interview zum „Night Falls“-Album kamen wir auf Dein ungewöhnliches Totenkopf-Logo zu sprechen und obwohl Skelette und Totenköpfe bei den folgenden zwei CDs ebenfalls präsent waren, ist das (meiner Meinung) nach stylische Logo wieder verschwunden – warum?
Ich fand es nach einer Zeit nicht mehr passend. Außerdem ist die konstante Weiterentwicklung eines Künstlers wesentlich, wie ich finde. Das soll sich auch im Logo widerspiegeln. Im Moment habe ich jedoch das Problem, dass ich mein momentanes Logo wirklich sehr gerne mag und noch nichts gefunden habe, das besser passen würde. Es lässt sehr viel zu an musikalisch/ stilistischen Änderungen, die mir immer wichtiger werden und deckt auch gleichzeitig den kommerziellen Bereich ab. Es ist neutraler, und das ist sehr nützlich.
? Ich hätte mir auf jeden Fall davon ein T-Shirt gekauft, aber nun gibt es ja welche mit dem Motiv vom aktuellen Album bzw. der Malerei des mexikanischen Straßenkünstlers Saner – wie bist Du auf diesen gestoßen und inwieweit hat dieser bzw. das Artwork den Sound des Albums beeinflusst?
Wir hatten einige Anläufe, die richtigen Ideen für das Artwork zu finden und keiner davon war passend bzw. entsprach unseren Vorstellungen. Die lieben Brüder vom Belio Magazin, die sich bekanntermaßen mit allen Arten des Grafikdesigns und neuen, jungen Künstlern umgeben, schlugen dann Saner vor. Nach dem ersten Entwurf war schnell klar, dass er richtig war. Die Art seiner Umsetzung ähnelt der Produktionsweise des Albums in seiner Experimentierfreude sehr und was ihn für uns perfekt machte.
? Für den Film „Restive“ hast Du jetzt Deinen ersten kompletten Soundtrack geschrieben – was kannst Du uns zu dem Film selbst berichten und ist eine Veröffentlichung des OST auf CD geplant?
Das war natürlich eine große Chance und zugleich ein großer Traum. Die Arbeit am Film war toll. Jeremiah Jones, der Regisseur, hat mir alle Freiheiten gelassen, nachdem wir ein paar grundsätzliche Richtlinien besprochen haben, die allerdings eher technischer Natur waren. Der Film ist dramaturgisch schwer zu beschreiben – er springt sehr zwischen Rückblenden und im Jetzt stattfindenden Szenen hin und her, was sich natürlich stark auf die Musik auswirkt bzw. einen „chronologischen“ Ansatz für den Soundtrack schwer macht. Die Struktur für das Album (an dessen Veröffentlichung auch gerade gearbeitet wird) wird jedoch als solches auch hörbar sein.
? Für Deinen Job als Sounddesigner hast Du gerade die Musik für einen Werbespot von Lacoste gemacht und ich stelle mir das Umfeld bzw. die Arbeitsweise daran recht glamourös vor, was aber am Ende sicherlich völlig ernüchternd ist – ich bitte um einen Blick hinter die Kulissen?
Jeder Auftraggeber muss speziell behandelt werden. Der Anspruch an das Ergebnis und auch die Demut vor dem jeweiligen Kunden sollte daher immer gleich sein. Der Druck ist bei bestimmten Kunden stärker, aber auch das gehört dazu. Glamourös ist eher die Marke an sich, für die man arbeitet und im Fall von Lacoste war es eigentlich eine sehr angenehme Arbeit. Das Konzept war von allen Seiten klar gestaltet und somit waren die Grenzen bzw. Dimensionen, die das Sounddesign haben sollte, direkt gesteckt. Ähnlich ist es bei Kunden wie Cartier oder BMW, für die es ähnliche Projekte zu realisieren galt – es ist jedes Mal anders, manchmal glamourös, manchmal sehr zweckmäßig. Das Image einer Marke oder eines Kunden ist mir persönlich nicht sehr wichtig – ich weiß, welche Dinge ich mag und welche eher weniger, aber die Konzepte und Aufgaben hinter bestimmten Projekten sind oftmals zu spannend, um sie nicht anzunehmen.
? Musikalisch wie persönlich scheint Dich viel mit Daniel Myer zu verbinden, denn neben diversen gegenseitigen Remixen spielst Du jetzt auch zum wiederholten Male live auf dem „Planet Myer Day“ in Leipzig – wann gibt es endlich von Euch eine richtige Kollaboration bzw. ein gemeinsames Projekt?
Wir denken permanent daran, aber hauptsächlich sind es unsere Tagesjobs, die uns daran hindern, das zu realisieren. Zu spät ist es aber nie und daher bleiben wir da auch dran!
? Wie geht es nach „Avenger“ mit HECQ weiter bzw. was sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?
Eine ausgezeichnete Frage, die ich aber fast nicht beantworten kann – im Januar erscheint auf Ad Noiseam eine 12“ namens „Enceladus“, die an „Avenger“ gewissermaßen anknüpfen wird. Allerdings ist dieser Stil und auch die damit verbundene Arbeitsweise und Restriktion dann doch recht kontraproduktiv für das HECQ-Gedankenkonstrukt. Ich mache daher erst einmal Pause und schaue wohin die Reise geht – weiter geht sie auf jeden Fall!
? Zum Abschluss wieder die BLACK-Standard-Frage nach Deinen aktuellen musikalischen Favoriten?
01: BURIAL Vs. MASSIVE ATTACK „Four Walls/Paradise Circus“
02: Nils Frahm „Felt“
03: LOOPSHAUNT „Ark“
04: THIS WILL DESTROY YOU „Tunnel Blanket“
05: John Hopkins „Monsters“ OST
06: PHOENECIA „Demissions“
? Ich danke Benny für dieses Interview und wünsche für die Zukunft alles Gute.
Foto Credit: Claudia Gödke
(Marco Fiebag)
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